„Ich sage immer, entweder löst du das Problem oder du löst dich von dem Problem. Die DDR war ein Problem, das ich nicht lösen konnte, also löste ich mich davon.“
Nachdem vier 10. Klassen der Leopold- Sonnemann- Realschule die Produktion Das schweigende Klassenzimmer gesehen hatten, wurde dieses Schauspielstück durch ein Gespräch mit Zeitzeuge Christoph Becke ergänzt und vertieft.
Gebannt lauschten die Zehntklässler:innen den Berichten von Herr Becke, der seine Biografie sehr lebendig erzählte und den Schüler:innen so einen realen Einblick in sein Leben vermittelte.
Geboren 1952 in München, zog seine Familie auf den Wunsch seines Vaters, ein angesehener Arzt, in die DDR zurück. Hier wuchs Becke auf und wurde zwar zuhause über das sozialistische Regime aufgeklärt, in der Schule aber hatte er sich konform zu verhalten, um unter dem Radar zu bleiben. So wirklich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, bekam er, als der Begriff „Mauer“ offiziell nicht mehr verwendet werden durfte und stattdessen als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichnet werden musste. Das war laut Becke das erste Mosaiksteinchen, das in den folgenden Jahren durch zahlreiche andere Puzzleteile ergänzt werden sollte. So erzählte er von einer Schulstunde, in der der Lehrer fragte, woran man erkennen könne, dass man die 9. Sinfonie von Beethoven im West- und nicht im Ostradio höre. Es würde nach „imperialistischer Blechmusik“ klingen… Solche Momente summierten sich und fraßen in ihm. Es nage an einem, wenn man etwas anderes sagen muss, als das, was man wirklich denkt- nur, um nicht auf den Deckel zu kriegen, bestätigte er.
Becke legte 1971 das Abitur in Ludwigsfelde ab und begann ein Studium an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg, das er 1978 als Diplom- Ingenieur beendete. Während diesen Jahren – und auch später – war eine gute Menschenkenntnis für ihn immer enorm wichtig. Er lernte, Menschen mit gleichen politischen Ansichten zu erkennen und neue Bekanntschaften „abzuscannen“. Die private Meinung konnte man nur mit Gleichgesinnten teilen, ansonsten musste er, auch gegen die eigene Überzeugung, den SED- Staat loben. Auch an Treffen der Freien Deutschen Jugend musste Becke teilnehmen, wenn er keinen Rausschmiss aus der Hochschule riskieren wollte.
Er lernte außerdem schnell, wie er das System in der DDR zu seinem Vorteil nutzen konnte; so unternahm er unter anderem Reisen in die UdSSR und Asien.
Das Vorhaben schnellstmöglich die DDR zu verlassen verlor er jedoch nie aus den Augen. Bei einer Reise mit seinem Bruder lernte er Gitta kennen, die er in seine Fluchtpläne einweihte. So bereitete das frisch verheiratete Paar die Flucht vor und setzte diese auch kurz danach um. Wenig später wurden sie bei einer Grenzkontrolle wegen „Republikflucht“ festgenommen und nach mehreren kurzen Haftaufenthalten in ein Stasi- Gefängnis gebracht. Besonders von diesen Monaten erzählte Becke eindrückliche Episoden: „Austreten, Zwei“. Nächtliche Verhöre, Zellen mit 11 Mithäftlingen teilen, stundenlanges Kartoffelschälen im feuchten Keller und bei Fehlverhalten das Einsperren in einen Metallkäfig ohne Bett, Tisch oder Toilette.
Während dieser Zeit war es Becke wichtig, höflich zur Stasi zu sein; er hat sich nie provozieren lassen oder jemanden beleidigt, aber er schaffte es, trotzdem klipp und klar zu machen, dass er zu seinem Fluchtvorhaben steht und dies auch weiterhin anstrebt.
1979 wurde er von der BRD freigekauft und traf Gitta wieder. Ein Jahr später legte er aufgrund fehlender Dokumente ein zweites Mal seinen Abschluss zum Diplom- Ingenieur an der TU Clausthal- Zellerfeld ab und arbeitete in diesem Beruf auch bis zu seinem Ruhestand.
Zum Schluss seines Vortrags appellierte er nochmal an die Jugendlichen, von ihren Freiheiten und vor allem von ihrem Recht, wählen zu gehen, Gebrauch zu machen. Und: Becke betonte immer wieder, dass er, egal ob im Westen oder Osten, mit seiner humorvoll fordernden Art immer vorankam. Anders könne man das auch gar nicht aushalten.
Sein Vortrag hinterlässt einen bleibenden Eindruck und ein neu gestärktes Bewusstsein dafür, dass dieser Teil der Geschichte sich niemals wiederholen darf und dass wir alle einen Beitrag dazu leisten können, dies zu verhindern.
„Ich sage immer, entweder löst du das Problem oder du löst dich von dem Problem. Die DDR war ein Problem, das ich nicht lösen konnte, also löste ich mich davon.“
Vielen Dank an Herr Becke für seine Zeit und den eindrücklichen Vortrag!
Das schweigende Klassenzimmer wird letztmals am 25.5. aufgeführt.
Beitrag von Nina Frommer
Gebannt lauschten die Zehntklässler:innen den Berichten von Herr Becke, der seine Biografie sehr lebendig erzählte und den Schüler:innen so einen realen Einblick in sein Leben vermittelte.
Geboren 1952 in München, zog seine Familie auf den Wunsch seines Vaters, ein angesehener Arzt, in die DDR zurück. Hier wuchs Becke auf und wurde zwar zuhause über das sozialistische Regime aufgeklärt, in der Schule aber hatte er sich konform zu verhalten, um unter dem Radar zu bleiben. So wirklich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, bekam er, als der Begriff „Mauer“ offiziell nicht mehr verwendet werden durfte und stattdessen als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichnet werden musste. Das war laut Becke das erste Mosaiksteinchen, das in den folgenden Jahren durch zahlreiche andere Puzzleteile ergänzt werden sollte. So erzählte er von einer Schulstunde, in der der Lehrer fragte, woran man erkennen könne, dass man die 9. Sinfonie von Beethoven im West- und nicht im Ostradio höre. Es würde nach „imperialistischer Blechmusik“ klingen… Solche Momente summierten sich und fraßen in ihm. Es nage an einem, wenn man etwas anderes sagen muss, als das, was man wirklich denkt- nur, um nicht auf den Deckel zu kriegen, bestätigte er.
Becke legte 1971 das Abitur in Ludwigsfelde ab und begann ein Studium an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg, das er 1978 als Diplom- Ingenieur beendete. Während diesen Jahren – und auch später – war eine gute Menschenkenntnis für ihn immer enorm wichtig. Er lernte, Menschen mit gleichen politischen Ansichten zu erkennen und neue Bekanntschaften „abzuscannen“. Die private Meinung konnte man nur mit Gleichgesinnten teilen, ansonsten musste er, auch gegen die eigene Überzeugung, den SED- Staat loben. Auch an Treffen der Freien Deutschen Jugend musste Becke teilnehmen, wenn er keinen Rausschmiss aus der Hochschule riskieren wollte.
Er lernte außerdem schnell, wie er das System in der DDR zu seinem Vorteil nutzen konnte; so unternahm er unter anderem Reisen in die UdSSR und Asien.
Das Vorhaben schnellstmöglich die DDR zu verlassen verlor er jedoch nie aus den Augen. Bei einer Reise mit seinem Bruder lernte er Gitta kennen, die er in seine Fluchtpläne einweihte. So bereitete das frisch verheiratete Paar die Flucht vor und setzte diese auch kurz danach um. Wenig später wurden sie bei einer Grenzkontrolle wegen „Republikflucht“ festgenommen und nach mehreren kurzen Haftaufenthalten in ein Stasi- Gefängnis gebracht. Besonders von diesen Monaten erzählte Becke eindrückliche Episoden: „Austreten, Zwei“. Nächtliche Verhöre, Zellen mit 11 Mithäftlingen teilen, stundenlanges Kartoffelschälen im feuchten Keller und bei Fehlverhalten das Einsperren in einen Metallkäfig ohne Bett, Tisch oder Toilette.
Während dieser Zeit war es Becke wichtig, höflich zur Stasi zu sein; er hat sich nie provozieren lassen oder jemanden beleidigt, aber er schaffte es, trotzdem klipp und klar zu machen, dass er zu seinem Fluchtvorhaben steht und dies auch weiterhin anstrebt.
1979 wurde er von der BRD freigekauft und traf Gitta wieder. Ein Jahr später legte er aufgrund fehlender Dokumente ein zweites Mal seinen Abschluss zum Diplom- Ingenieur an der TU Clausthal- Zellerfeld ab und arbeitete in diesem Beruf auch bis zu seinem Ruhestand.
Zum Schluss seines Vortrags appellierte er nochmal an die Jugendlichen, von ihren Freiheiten und vor allem von ihrem Recht, wählen zu gehen, Gebrauch zu machen. Und: Becke betonte immer wieder, dass er, egal ob im Westen oder Osten, mit seiner humorvoll fordernden Art immer vorankam. Anders könne man das auch gar nicht aushalten.
Sein Vortrag hinterlässt einen bleibenden Eindruck und ein neu gestärktes Bewusstsein dafür, dass dieser Teil der Geschichte sich niemals wiederholen darf und dass wir alle einen Beitrag dazu leisten können, dies zu verhindern.
„Ich sage immer, entweder löst du das Problem oder du löst dich von dem Problem. Die DDR war ein Problem, das ich nicht lösen konnte, also löste ich mich davon.“
Vielen Dank an Herr Becke für seine Zeit und den eindrücklichen Vortrag!
Das schweigende Klassenzimmer wird letztmals am 25.5. aufgeführt.
Beitrag von Nina Frommer