Barbara Bily (BB): Der Riss durch die Welt und Der Kreis um die Sonne sind zwei für sich stehende, bereits einzeln uraufgeführte, Stücke. Wie kam es dazu, dass die beiden Stücke jetzt als Doppelabend aufgeführt werden?
Markus Trabusch (MT): Ursprünglich sollte Der Riss durch die Welt das Stück zur Eröffnung des Kleinen Hauses sein. Als sich diese verzögerte, war uns relativ bald klar, dass wir zur Eröffnung ein Stück mit allen, auch den neuen, Ensemblemitgliedern machen wollen, nicht nur mit dreien und zwei Gästen. Dann saß ich in der Premiere der Uraufführung von Der Kreis um die Sonne am Residenztheater in München und habe mich in dieses Stück irgendwie vernarrt. Auch der Bühnenbildner Johannes Schütz hat bei unserem Arbeiten an Karl und Anna immer wie- der von dem Stück geschwärmt. Und so haben wir uns dafür entschieden. In der Arbeit zeigte sich dann, wie sehr die Stücke miteinander korrespondieren.
BB: Der Riss durch die Welt ist das eher entstandene Stück (2019), Der Kreis um die Sonne ist später (2021) entstanden. Wir spielen es hier in der Reihenfolge: erst Der Kreis um die Sonne, dann Der Riss durch die Welt – warum?
MT: Ich finde, Riss ist, zumindest bei uns, das dramatischere Stück mit einer Zukunftsdiagnose. Sonne ist eher ein Rückblick der Gesellschaft, ein offenes, das Phänomen Corona umkreisendes Stück. Gerade weil wir die unmittelbare Gefahr dieser Pandemie hinter uns gelassen haben, schärft uns dieser Blick zurück die Erinnerung, die übrigens den Riss durch die Gesellschaft nochmals verstärkt hat.
Roland Schimmelpfennig (RS): Ich kann die Entscheidung sehr gut verstehen, es ist eine Frage der Gewichtung. Ich glaube, dass Der Riss durch die Welt die scheinbar größere tragische Wucht hat, es ist theatral enger gefasst, kompakter. Insofern finde ich dann die Reihenfolge richtig. Man kann aber natürlich auch Der Kreis um die Sonne ganz anders lesen und inszenieren, man könnte das Stück auch in drei Stunden anlegen und nicht in einer, dann hätte es wiederum eine andere experimentelle Wucht und es wäre wirklich ein vibrierendes, gewaltiges Fest, durch das der Tod schreitet wie in einer Geschichte von Edgar Allan Poe. Dann könnte man die Reihenfolge auch umdrehen.
Markus Trabusch (MT): Ursprünglich sollte Der Riss durch die Welt das Stück zur Eröffnung des Kleinen Hauses sein. Als sich diese verzögerte, war uns relativ bald klar, dass wir zur Eröffnung ein Stück mit allen, auch den neuen, Ensemblemitgliedern machen wollen, nicht nur mit dreien und zwei Gästen. Dann saß ich in der Premiere der Uraufführung von Der Kreis um die Sonne am Residenztheater in München und habe mich in dieses Stück irgendwie vernarrt. Auch der Bühnenbildner Johannes Schütz hat bei unserem Arbeiten an Karl und Anna immer wie- der von dem Stück geschwärmt. Und so haben wir uns dafür entschieden. In der Arbeit zeigte sich dann, wie sehr die Stücke miteinander korrespondieren.
BB: Der Riss durch die Welt ist das eher entstandene Stück (2019), Der Kreis um die Sonne ist später (2021) entstanden. Wir spielen es hier in der Reihenfolge: erst Der Kreis um die Sonne, dann Der Riss durch die Welt – warum?
MT: Ich finde, Riss ist, zumindest bei uns, das dramatischere Stück mit einer Zukunftsdiagnose. Sonne ist eher ein Rückblick der Gesellschaft, ein offenes, das Phänomen Corona umkreisendes Stück. Gerade weil wir die unmittelbare Gefahr dieser Pandemie hinter uns gelassen haben, schärft uns dieser Blick zurück die Erinnerung, die übrigens den Riss durch die Gesellschaft nochmals verstärkt hat.
Roland Schimmelpfennig (RS): Ich kann die Entscheidung sehr gut verstehen, es ist eine Frage der Gewichtung. Ich glaube, dass Der Riss durch die Welt die scheinbar größere tragische Wucht hat, es ist theatral enger gefasst, kompakter. Insofern finde ich dann die Reihenfolge richtig. Man kann aber natürlich auch Der Kreis um die Sonne ganz anders lesen und inszenieren, man könnte das Stück auch in drei Stunden anlegen und nicht in einer, dann hätte es wiederum eine andere experimentelle Wucht und es wäre wirklich ein vibrierendes, gewaltiges Fest, durch das der Tod schreitet wie in einer Geschichte von Edgar Allan Poe. Dann könnte man die Reihenfolge auch umdrehen.
BB: Roland, bei Der Kreis um die Sonne vermeidest du, ich unterstelle absichtlich, das Wort „Corona“. Warum? Gab es damals schon eine Art Themenmüdigkeit, oder ist es ein poetischer Umgang damit?
RS: Man steht da vor einem tatsächlichen Jahrhundertereignis. Ich wollte das Thema der Pandemie in eine gewisse Form der Abstraktion führen. Gleichzeitig wollte ich den Umgang mit dem Thema trotzdem situativ halten, aber jenseits der Berichte aus den Medien. Deshalb taucht das Wort „Corona“ nicht auf. Es ist natürlich auch der Planet, der um die Sonne kreist, das ist natürlich auch der Versuch einer poetischen Form in Konfrontation mit einer weltweiten Katastrophe.
Es ist ein ganz schöner Widerspruch, dass viele Autoren und Autorinnen dieses ins-Jetzt-Springen vermeiden. Für mich ist das eher ein Merkmal von sehr politischem Theater oder sogar von Kabarett und Stand-Up-Formen, wo wirklich der Text am Abend der Aufführung entsteht. Weil das Theater sich natürlich darum bemüht, Texte zu komponieren, zu verdichten, und das braucht einfach mehr Zeit, deshalb ist es zu langsam. Das Schöne ist aber, dass das Theater natürlich die Autoren wiederum dazu pusht, sich mit aktuellen Themen zu beschäftigen. Dabei können dann unter Umständen schöne widersprüchliche Dinge entstehen. Indem sich der Wunsch nach der Aktualität und der Wunsch nach Vermeidung derselben ganz gut befruchten. Und so merkt man es auch dem Kreis um die Sonne an. Es kreist wirklich um etwas, das deshalb nicht benannt wird.
RS: Man steht da vor einem tatsächlichen Jahrhundertereignis. Ich wollte das Thema der Pandemie in eine gewisse Form der Abstraktion führen. Gleichzeitig wollte ich den Umgang mit dem Thema trotzdem situativ halten, aber jenseits der Berichte aus den Medien. Deshalb taucht das Wort „Corona“ nicht auf. Es ist natürlich auch der Planet, der um die Sonne kreist, das ist natürlich auch der Versuch einer poetischen Form in Konfrontation mit einer weltweiten Katastrophe.
Es ist ein ganz schöner Widerspruch, dass viele Autoren und Autorinnen dieses ins-Jetzt-Springen vermeiden. Für mich ist das eher ein Merkmal von sehr politischem Theater oder sogar von Kabarett und Stand-Up-Formen, wo wirklich der Text am Abend der Aufführung entsteht. Weil das Theater sich natürlich darum bemüht, Texte zu komponieren, zu verdichten, und das braucht einfach mehr Zeit, deshalb ist es zu langsam. Das Schöne ist aber, dass das Theater natürlich die Autoren wiederum dazu pusht, sich mit aktuellen Themen zu beschäftigen. Dabei können dann unter Umständen schöne widersprüchliche Dinge entstehen. Indem sich der Wunsch nach der Aktualität und der Wunsch nach Vermeidung derselben ganz gut befruchten. Und so merkt man es auch dem Kreis um die Sonne an. Es kreist wirklich um etwas, das deshalb nicht benannt wird.
Roland Schimmelpfennig ist einer der meistgespielten Gegenwartsdramatiker Deutschlands. Der 1967 geborene Autor arbeitete als Journalist in Istanbul und studierte anschließend Regie an der Otto-Falckenberg-Schule München, seit 1996 arbeitet er als freier Autor. Er schreibt sowohl national als auch international immer wieder Aufträge für renommierte Theater, seine zahlreich ausgezeichneten Stücke werden mit großem Erfolg in über 40 Ländern gespielt. Schimmelpfennig veröffentlicht außerdem Romane, Essays sowie weitere Schriften und schreibt Libretti, unter anderem für die nach seinem Stück Der Goldene Drache von Péter Eötvös komponierte Oper und Karl und Anna (Musik: Christoph Ehrenfellner), die in dieser Spielzeit am Mainfranken Theater uraufgeführt wird.