Wahn, Witz und Wissenschaft

Friedrich Dürrenmatts Die Physiker kommen zurück in die Theaterfabrik Blaue Halle
Beinahe ein Jahr nach dem Probenbeginn zu Dürrenmatts schwarzer Komödie kehren Die Physiker zurück auf die  Bühne der Blauen Halle. Seitdem ist viel geschehen: Schon bald nach der Premiere im Oktober 2020 wurde es still auf den Bühnen der Stadt. Umso mehr freut sich das Schauspielensemble, endlich wieder vor Publikum spielen zu können.

Weil ein winziger Krankheitserreger, ein Virus, uns Menschen überfallen hat, steht die Welt fast still. Wäre es dem Dramatiker Friedrich Dürrenmatt, der im Jahr 2021 seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, vergönnt gewesen, dies zu erleben, hätte er sich womöglich bestätigt gefühlt: Für ihn bricht das Unerwartete, Unerhörte gerade dann herein, wenn wir Menschen glauben, unser Schicksal, ja die Welt sei planbar, sei berechenbar: „Je planmäßiger die Menschen  vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen“, heißt es in seinen „21 Punkten zu den Physikern“. Darin schreibt Dürrenmatt auch, eine Geschichte sei erst dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen habe. 
Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen.
Friedrich Dürrenmatt
Als Friedrich Dürrenmatt 1961, vor genau 60 Jahren, seine Arbeit an den Physikern beendete, sah sich die Welt einer unsichtbaren, aber dennoch gefährlichen Bedrohung ausgesetzt. Die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und das daraus entstandene Ringen um politische Vorherrschaft der USA und der Sowjetunion hatten ein permanentes  Wettrüsten und schließlich die reale Möglichkeit eines nuklearen Krieges ausgelöst. Die Planung und Konstruktion der Atombombe bereuten der Physiker Julius Oppenheimer und die Forscher des Manhattan Projects ein Leben lang. 

Genau diesen Konflikt zwischen wissenschaftlichem Fortschritt und ethischer Verantwortung nahm auch Dürrenmatt in den Blick, als er seine Physiker verfasste. Er schrieb das von ihm selbst als Komödie betitelte Stück, als die  Nukleartechnik noch jung war und der Kalte Krieg auf einen gefährlichen Höhepunkt zusteuerte. Zum ersten Mal entstand zu dieser Zeit ein Bewusstsein dafür, dass von nun an das Ende der Welt in der Hand des Menschen liegen könnte, sei es als mögliche Folge einer aktiven Handlung oder als Folge eines Kontrollverlusts über die eigene Technik. 
v.l.: Florian Innerebner (Möbius), Georg Zeies (Einstein), Thomas Klenk (Newton) | Foto: Nik Schölzel
Im Jahr 2021 kann von globalem Wettrüsten im Sinne der 60er Jahre keine Rede mehr sein. Dürrenmatts Komödie hat dennoch auch heute nichts an Aktualität verloren: Gerade die weltweite Pandemie zwingt uns zu einem Umdenken, zur Einsicht nämlich, dass die entfesselten labyrinthischen Kräfte, die immer wieder in unsere Welt einschlagen, unsere naiven Vorstellungen von Sicherheit und Fortschritt stets von neuem in Frage stellen. Dürrenmatt ist 2021 präsenter denn je. Denn erneut rückt auch heute die Frage nach dem Verhältnis von Wissenschaft und Verantwortung in den Vordergrund – wenn auch unter vollkommen anderen Vorzeichen. In der Realität gilt es, die schlimmstmögliche Wendung zu verhindern. Während Newton, Einstein und Möbius sich für immer vor der Wirklichkeit in einer Heilanstalt verstecken, ist die aktuelle Isolation nicht von Dauer. Während die Wissenschaft auf der Bühne zum Katalysator der Tragödie wird, wird sie im Zuschauerraum zur Hoffnung.
Während die Wissenschaft auf der Bühne zum Katalysator der Tragödie wird, wird sie im Zuschauerraum zur Hoffnung.
Dramaturgin Susanne Bettels
Im Jahr 2021 kann von globalem Wettrüsten im Sinne der 60er Jahre keine Rede mehr sein. Dürrenmatts Komödie hat dennoch auch heute nichts an Aktualität verloren: Gerade die weltweite Pandemie zwingt uns zu einem Umdenken, zur Einsicht nämlich, dass die entfesselten labyrinthischen Kräfte, die immer wieder in unsere Welt einschlagen, unsere naiven Vorstellungen von Sicherheit und Fortschritt stets von neuem in Frage stellen. Dürrenmatt ist 2021 präsenter denn je. Denn erneut rückt auch heute die Frage nach dem Verhältnis von Wissenschaft und Verantwortung in den  Vordergrund – wenn auch unter vollkommen anderen Vorzeichen. In der Realität gilt es, die schlimmstmögliche Wendung zu verhindern. Während Newton, Einstein und Möbius sich für immer vor der Wirklichkeit in einer Heilanstalt verstecken, ist die aktuelle Isolation nicht von Dauer. Während die Wissenschaft auf der Bühne zum Katalysator der Tragödie wird, wird sie im Zuschauerraum zur Hoffnung. 
v.l.: Jojo Rößler, Florian Innerebner, Georg Zeies | Foto: Nik Schölzel
DIE NÄCHSTE VORSTELLUNG
Freitag, 25.6. | 20:00 Uhr

LETZTMALS
Freitag, 2.7. | 20:00 Uhr

Theaterfabrik Blaue Halle