Sherlock im Gesundheitsamt
Drei Theaterschaffende berichten von ihrer ungewöhnlichen Tätigkeit
Ein ganz normaler Morgen für den Musiker Johannes Mauer, der seit 2013 Orchestermitglied am Mainfranken Theater ist. Scheinbar – denn nach seiner täglichen Probenroutine packt er seine Trompete und begibt sich statt auf die Bühne an einen der Schreibtische im Würzburger Gesundheitsamt. Dort unterstützt er gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des Theaters seit November das Team zur Kontaktnachverfolgung von Covid-19-Fällen.
Dabei werden Menschen, deren Coronatest positiv ausgefallen ist, angerufen, interviewt und in Isolation geschickt. Alle Informationen müssen anschließend akribisch genau in einer umfangreichen Datenbank dokumentiert werden, bevor die sogenannten Ermittlerinnen und Ermittler alle Kontaktpersonen anrufen. Auch diese werden interviewt und unter Quarantäne gestellt.
Dabei werden Menschen, deren Coronatest positiv ausgefallen ist, angerufen, interviewt und in Isolation geschickt. Alle Informationen müssen anschließend akribisch genau in einer umfangreichen Datenbank dokumentiert werden, bevor die sogenannten Ermittlerinnen und Ermittler alle Kontaktpersonen anrufen. Auch diese werden interviewt und unter Quarantäne gestellt.
Mit dem Aufruf des Oberbürgermeisters Christian Schuchardt, städtische Mitarbeitende ins Gesundheitsamt zu senden, zeigt Mauer sich zufrieden: „Man macht etwas Sinnvolles in dieser Zeit und sitzt nicht zuhause herum.“ Auch Jana Herrmannsdörfer, seit 2016 Herrenmaßschneiderin am Mainfranken Theater, ist mittlerweile glücklich über die neue Tätigkeit, obwohl sie anfangs große Bedenken hatte: „Bürotechnisch bin ich eine Niete, und auch Telefonieren ist nicht meine größte Stärke.“ Lange habe sie sich Gedanken darüber gemacht, ob die künstlerisch Tätigen vom Theater wirklich eine Hilfe darstellten in dem bürokratisch organisierten Landratsamt. Dann aber habe sie festgestellt, mit wie vielen Einzelschicksalen und persönlichen Fragen das Amt während der Pandemie konfrontiert wird. Während der Telefonate mit Corona-Positiven oder deren Kontaktpersonen gehe es immer auch darum, die Sorgen der Menschen zu teilen. „Manchmal hat man den Eindruck, man ist Pfarrer oder Seelentröster“, bestätigt auch Mauer und erzählt, wie das Team eine Person an deren Geburtstag in Quarantäne schicken musste. Um die schlechte Nachricht abzumildern, gratulierte man nicht nur mündlich, sondern auch mit einem musikalischen Ständchen des Trompeters durchs Telefon.
Manchmal hat man den Eindruck, man ist Pfarrer oder Seelentröster.Johannes Mauer
Auch für das Personal des Gesundheitsamts hat Mauer gemeinsam mit seinem Orchesterkollegen Klaus Englert musiziert. An den Feiertagen standen sie unter strengster Einhaltung der Hygienevorschriften im Treppenhaus und ließen Weihnachtslieder im Amt erklingen, während die Ermittlerinnen und Ermittler eine der schwierigsten Aufgaben vor sich hatten: Menschen während einem der wichtigsten Familienfeste in Quarantäne schicken. „Dieser Dienst hat geschmerzt“, sagt Herrmannsdörfer, „da hätte ich am liebsten alle isolierten Personen zu mir eingeladen, weil sie mir so leidtaten.“
Gerade in dieser Zeit hätten einige die Nachricht vom Gesundheitsamt schlecht verkraftet, berichtet Janina Sachsenmaier, die seit April 2020 als Theaterpädagogin am Mainfranken Theater eigentlich Stücke an Schulen vermitteln sollte: „Jedes Telefonat ist anders. Manche Leute sind sehr aufgeregt, andere haben Angst, und es gibt auch solche, die ihren ganzen Pandemie-Frust an mir auslassen und mich erstmal minutenlang anschreien. In diesem Fall helfen mir dann meine Erfahrungen aus der pädagogischen Ausbildung weiter.“
Die allermeisten zeigten sich aber nett und verständnisvoll am Telefon, so die drei Theaterschaffenden. Mauer berichtet von einer Frau, die am Tag nach seinem Telefonat noch einmal angerufen habe, um sich für die guten Informationen und die einfühlsamen Worte zu bedanken. Herrmannsdörfer ist von dem Zusammenhalt der Nachbarschaft positiv überrascht, wenn Personen sich aufgrund von Isolation nicht mehr selbst versorgen können, und Sachsenmaier begrüßt die Offenheit vieler Menschen. Für eine effektive Kontaktnachverfolgung gäben viele Menschen ihr Privatleben preis – sogar One-Night-Stands würden nicht verschwiegen. „Man kommt sich manchmal richtig vor wie ein kleiner Sherlock Holmes“, stimmt Herrmannsdörfer zu, vor allem, wenn die Kontakte sehr kompliziert miteinander zusammenhingen.
Gerade in dieser Zeit hätten einige die Nachricht vom Gesundheitsamt schlecht verkraftet, berichtet Janina Sachsenmaier, die seit April 2020 als Theaterpädagogin am Mainfranken Theater eigentlich Stücke an Schulen vermitteln sollte: „Jedes Telefonat ist anders. Manche Leute sind sehr aufgeregt, andere haben Angst, und es gibt auch solche, die ihren ganzen Pandemie-Frust an mir auslassen und mich erstmal minutenlang anschreien. In diesem Fall helfen mir dann meine Erfahrungen aus der pädagogischen Ausbildung weiter.“
Die allermeisten zeigten sich aber nett und verständnisvoll am Telefon, so die drei Theaterschaffenden. Mauer berichtet von einer Frau, die am Tag nach seinem Telefonat noch einmal angerufen habe, um sich für die guten Informationen und die einfühlsamen Worte zu bedanken. Herrmannsdörfer ist von dem Zusammenhalt der Nachbarschaft positiv überrascht, wenn Personen sich aufgrund von Isolation nicht mehr selbst versorgen können, und Sachsenmaier begrüßt die Offenheit vieler Menschen. Für eine effektive Kontaktnachverfolgung gäben viele Menschen ihr Privatleben preis – sogar One-Night-Stands würden nicht verschwiegen. „Man kommt sich manchmal richtig vor wie ein kleiner Sherlock Holmes“, stimmt Herrmannsdörfer zu, vor allem, wenn die Kontakte sehr kompliziert miteinander zusammenhingen.
Man kommt sich vor wie ein kleiner Sherlock Holmes, vor allem wenn die Kontakte sehr kompliziert miteinander zusammenhängen.Jana Herrmannsdörfer
Die abendliche Erschöpfung nach einem Einsatz im Gesundheitsamt ist bei allen ähnlich groß wie nach einem Tag im Theater. Insofern sehen auch die drei Mitarbeitenden des Mainfranken Theaters mit Zuversicht der steigenden Impfrate entgegen. Nach der Pandemie werden sie wieder vom Gesundheitsamt in die Kunst zurückkehren, und wer weiß, vielleicht bilden ihre Telefonrecherchen ja auch die Grundlage für ein neues Stück – Stoff dafür hätten sie jedenfalls genug.