Belcanto-Klassiker in der Blauen Halle

Lucia di Lammermoor feiert Premiere
Mit seiner vierten Opernproduktion feiert das Mainfranken Theater am 25. März eine weitere Premiere. In der Theaterfabrik Blaue Halle ist Gaetano Donizettis Oper „Lucia di Lammermoor“ in der Inszenierung von Matthew Ferraro zu sehen.
Regisseur Matthew Ferraro und Sängerin Akiho Tsujii, die ihr Rollendebüt als Lucia geben wird, geben uns erste Einblicke in die Probenarbeit und sprechen über die herausfordernde Titelpartie der Lucia.

Die szenischen Proben haben nun vor einer Woche begonnen. An was arbeitet Ihr gerade, was sind die Herausforderungen im Moment?

Matthew Ferraro: Im Moment läuft alles sehr schnell, sehr straff, sehr intensiv. Es ist unglaublich wichtig, den Sängerinnen und Sängern Zeit zu geben, die neue Welt, die man erschafft, aufzunehmen, zu verdauen, sich in diese Welt mit all ihren Regeln, Gegebenheiten und ihrem Umfeld einzufinden, damit man langsam, Ebene für Ebene aufeinander aufbauen kann. Im Prinzip ist es wie Malen: Man trägt Farbe auf, lässt sie trocknen, darüber kommt eine neue Farbe, und nach und nach entsteht das Bild. So ist es auch hier: Probe für Probe schichten wir neue Ebenen und so erst kann ein Stück mit Tiefe entstehen. Dafür braucht es Zeit, die wir glücklicherweise haben, und daher ist es notwendig, bereits jetzt so viel wie möglich aufnehmen zu können. In diesem Raum bewegen wir uns gerade: Wir spielen, wir probieren aus, wir finden Verbindungen.
Akiho Tsujii: Für mich ist diese Arbeitsweise perfekt. Denn ich muss, um ein Stück szenisch und sängerisch zu erarbeiten, erst einmal die echte Emotion finden. Ich muss den Charakter der Lucia selbst erleben, um dann das Erlebte mittels des Gesangs und der Technik ausdrücken zu können. Dafür lässt uns Matthew viel Raum.

Wie lässt sich der Charakter der Lucia beschreiben?

Akiho Tsujii: Lucia liebt Edgardo, den Todfeind der Familie. Ihr Bruder Enrico möchte sie mit einem anderen Mann namens Arturo verheiraten und verbietet ihr die Beziehung zu Edgardo. Natürlich liebt sie – wie jeder Teenager – das Risiko und das Verbotene. Aber das Wichtigste ist, dass Lucia immer ehrlich zu sich selbst ist, denn sie weigert sich, Arturo zu heiraten.
Matthew Ferraro: Indem Lucia sich wehrt, in dem Moment, wo sie zur Mörderin Arturos wird, wird sie auf eine Art und Weise erst zum richtigen Menschen – weil sie sich selbst schützt und ihre Autonomie als Mensch wahrt. Sie ist kein Objekt mehr, das von ihrem Bruder verkauft wird. In dieser Welt kann Lucia – eine moderne Frau – nicht leben und daher führt ihre selbstbestimmte Handlung letztendlich zu Wahnsinn und zum Tod. Solch selbstbestimmte Frauenfiguren in der Oper, Charaktere wie die Lucia oder z.B. auch die Madame Butterfly interessieren mich sehr, und mir ist es immer wichtig, diese Frauen nicht als traurige, tragische Opfer zu zeichnen.


Was bedeutet diese Partie für die Sängerin Akiho Tsujii?

Akiho Tsujii: Lucia di Lammermoor ist eine reine Belcanto-Oper. Der Belcanto ist genau mein Fach und für meine Stimme ideal. Die große Herausforderung bei der Partie der Lucia ist, dass man nicht nur die Höhe braucht – wie man vielleicht auf den ersten Blick meinen könnte – sondern vor allem auch die mittlere Lage und die Tiefe. Das ist unglaublich schwer, daher bereite ich mich bereits seit einem Jahr auf die Partie vor. Man muss sehr darauf aufpassen, dass man nicht regelecht davon besessen wird, das blockiert nur. Denn letztendlich geht es nicht darum, die Lucia perfekt zu singen. Lucias Charakter zu leben und dabei kommt dann die Musik – das möchte ich erreichen! Diese Balance zu finden zwischen Gefühl und dem Gesang/der Technik ist im heutigen Regietheater unglaublich wichtig. Daran arbeite ich sehr hart und hoffe, damit meine eigene, für mich beste Version von Lucia zeigen zu können!

Interview von Tabea Hilser
Akiho Tsujii und Matthew Ferraro bei der szenischen Probe. | Foto: Pia Luisa Traub
Über das Werk

Die schottische Adelsfamilie Ashton steht vor dem Ruin. Enrico Ashton will daher aus politischem Kalkül seine Schwester Lucia mit dem einflussreichen Arturo Bucklaw verheiraten. Lucia aber ist Edgardo – dem jüngsten Spross der Familie Ravenswood und Todfeind Enricos – heimlich in Liebe zugetan und weigert sich, den Plänen ihres Bruders Folge zu leisten. Nur mittels eines fingierten Briefes, in dem von angeblicher Untreue Edgardos die Rede ist, gelingt es Enrico, Lucia zur Hochzeit mit Arturo zu nötigen. Doch noch während die Gäste im Festsaal des Schlosses den besiegelten Bund feiern, braut sich im ehelichen Schlafgemach eine blutige Katastrophe zusammen.

„Lucia di Lammermoor“ erlebte ihre triumphale Uraufführung 1835 am Teatro San Carlo in Neapel. Sie zählt neben dem „Liebestrank“ (1832), „La Favorita“ (1840) und „Don Pasquale“ (1843) zu den vier Opern Donizettis, die sich ununterbrochen im weltweiten Repertoire halten konnten. Das Werk basiert auf Walter Scotts historischem Roman „Die Braut von Lammermoor“, der seinerseits auf eine wahre Begebenheit aus dem Schottland des 17. Jahrhunderts zurückgreift. Spektakulärer Höhepunkt der dem Genre der Schauerromantik zuzurechnenden Oper ist die berühmte Wahnsinnsszene Lucias aus dem 3. Akt. „Donizetti verlangt hier“, so der renommierte Opernkenner und Musikbuchautor Uwe Schweikert, „von seiner Protagonistin eine vokale Hochseilakrobatik, die dennoch nicht Selbstzweck ist, sondern stets dem Ausdruck der dramatischen Situation dient.“ Nach Vincenzo Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ in der vergangenen Saison steht mit Donizettis „Lucia di Lammermoor“ ein weiterer Höhepunkt des italienischen Belcanto-Repertoires auf dem Spielplan des Mainfranken Theaters.

Das Regieteam

Als Regisseur ist Matthew Ferraro bereits zum dritten Mal am Mainfranken Theater zu Gast. In New York City geboren, feierte er 2014 sein europäisches Debüt als Regisseur und Bühnenbildner am Theater Erfurt mit der Inszenierung von Puccinis „Madame Butterfly“ unter der musikalischen Leitung von Joana Mallwitz und mit Ilia Papandreou in der Hauptrolle. Darüber hinaus war er als Teaching Artist an der Hartford University (Connecticut) tätig, wo er unter anderem als Regisseur und Bühnenbildner für „Street Scene“, „Das schlaue Füchslein“, „Orpheus in der Unterwelt“, und „L’enfant et les sortilèges“ verantwortlich zeichnete. In Würzburg war er erstmals in der Spielzeit 2016/17 zu Gast, wo er Verdis Grand Opéra „Les Vepres siciliennes“ opulent in Szene setzte. Zu einem wahren Publikumsmagneten geriet 2019/20 seine Inszenierung von Andrew Lloyd Webbers Rockoper „Evita“. Mit „Lucia di Lammermoor“ stellt er sich nun dem Würzburger Publikum erstmals mit einem Klassiker des Belcanto-Repertoires vor.

An seiner Seite konnte erneut Bühnen- und Kostümbildner Pascal Seibicke gewonnen werden. Der gebürtige Oberpfälzer ist seit der Spielzeit 2016/17 regelmäßig am Mainfranken Theater zu Gast. unter anderem als Kostümbildner der Produktionen „Die Hugenotten“ (2016), „Nixon in China“ (2018) und „Hänsel und Gretel“ (2019) sowie als Bühnen- und Kostümbildner des Schönberg-Puccini-Doppelabends „Die glückliche Hand – Gianni Schicchi“ (2021). Seine Tätigkeit führt ihn regelmäßig an die Theater und Opernhäuser in Gelsenkirchen, Heidelberg, Kiel und Münster, an die Staatstheater in Braunschweig, Darmstadt, Hamburg, Mainz und Wiesbaden, zum Festspielhaus Baden-Baden sowie an das Theater Basel und das MusikTheater an der Wien, um nur einige zu nennen.


Die Besetzung
Alle Partien sind aus den Reihen des Würzburger Opernensembles besetzt. In der herausfordernden Titelpartie gibt die japanische Sopranistin Akiho Tsujii ihr mit Spannung erwartetes Debüt. Akiho Tsujii – im vergangenen Dezember mit dem Würzburger Theaterpreis 2022 ausgezeichnet – war am Mainfranken Theater bereits in zahlreichen eindrucksvollen Rollenporträts zu erleben, unter anderem als Madame Mao („Nixon in China“), Zerbinetta („Ariadne auf Naxos“), Gilda („Rigoletto“) sowie zuletzt als Olympia („Hoffmanns Erzählungen“). In den weiteren Hauptrollen sind Roberto Ortiz (Edgardo), Hinrich Horn (Enrico) und Ihor Tsarkov (Raimondo) zu erleben.
Ferner wirken der Opernchor und der Extrachor des Mainfranken Theaters in der Einstudierung von Chordirektor Sören Eckhoff sowie das Philharmonische Orchester Würzburg mit. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Generalmusikdirektor Enrico Calesso.

Termine
Sa, 25.03.23 | 19:30 Uhr
Fr, 31.03.23 | 19: 30 Uhr
Do, 06.04.23 | 19:30 Uhr
Mi, 12.04.23 | 19:30 Uhr
So, 30.04.23 | 19:30 Uhr


Einführung jeweils 35 Minuten vor Vorstellungsbeginn.

Karten für alle Termine sind online, telefonisch unter +49 931 3908 124, per E-Mail unter karten@mainfrankentheater.de oder an der Theaterkasse vor dem Theater-Neubau erhältlich.