Die Fassung wahren

Bruckners achte Sinfonie
Unter der musikalischen Leitung von Enrico Calesso lädt das Philharmonische Orchester im März zu einer Begegnung mit Bruckners achter Sinfonie ein. Doch mit der Wahl des Werkes ist es bei Bruckner zumeist nicht getan, oftmals steht hiernach noch die Entscheidung über die Fassung ins Haus.

Ein gehöriges Maß an schöpferischer Fantasie, theoretische Kenntnisse in Tonsatz und Harmonielehre sowie Instrumentationskunde muss ein Komponist mitbringen, wenn er sich ein Sinfonieprojekt vornimmt. Monate – zuweilen Jahre – beschäftigte sich manch einer mit der Arbeit daran. Wie viel Zeit derjenige investiert, ist sehr unterschiedlich: Während Joseph Haydn oder Wolfgang Amadeus Mozart binnen weniger Wochen ihre Sinfonien abschlossen, rang etwa Johannes Brahms mit seinem ersten Beitrag zur Gattung über eine Dekade. Ohne Zweifel war die Sinfonie eine Art Visitenkarte für einen Komponisten. Wer sein Renommee in der Musikbranche zu manifestieren gedachte, kam nicht umhin, ein solches – bestenfalls genialisch – klingendes Zeugnis seiner Fähigkeiten vorzulegen. Dass sich der Rahmen eine Sinfonie stark gewandelt hatte; dass sich die Gattung vom dreisätzigen, etwa zehnminütigen Werk hin zum abendfüllenden großangelegten Klangmonument entwickelt hat, brachte eine entsprechend veränderte Situation für die Schöpfer dieser Werke mit sich. Spätestens nach Beethovens neunter Sinfonie hatte man es als Komponist dann ungleich schwerer: Die ursprünglich rein instrumentale Gattung hatte nun eine vokale Überhöhung erfahren. Wer auf diesen Zug aufsprang, musste sich einen Nachahmer schelten lassen; wer einfach weiter klassische Sinfonien setzte, lebte in der Vergangenheit! Originalität war gefragt.

Das ewige Werk

Sich über Monate und Jahre mit einer Komposition zu befassen, führt dazu, dass der Schöpfer nur schwerlich emotionslos reagiert, wenn Kritik an dem Stück geübt wird. Ein solches Werk spiegelt die Persönlichkeit seines Schöpfers, kehrt dessen Innerstes nach außen. Doch was passiert, wenn das Werk auf Ablehnung trifft? Was geschieht, wenn die äußeren Umstände oder persönliche Sympathien über Erfolg und Misserfolg entscheiden? Und was bewegt einen Tonschöpfer zur Revision? Warum konnten manche Komponisten ihre Werke nicht loslassen? Was fesselte Gustav Mahler an seiner fünften Sinfonie, dass er sie bis zu seinem Tod nicht endgültig abschloss? Ein Komponist, der viele – fast alle – seiner Sinfonien wenigstens einmal umarbeitete, ist Anton Bruckner.

Einen langen und mühsamen Weg hatte der Komponist und Organist hinter sich gebracht, bis er endlich mit Mitte vierzig an seinem Ziel angelangt war: Wien. Doch die Donaumetropole war Musikzentrum und Haifischbecken zugleich. Die Möglichkeiten in dieser Stadt waren so überwältigend groß wie auch die Konkurrenz unter den Musikschaffenden. Sich Ansehen und Achtung zu verschaffen, war nicht nur eine Frage des Könnens, sondern ging einher mit einer ästhetischen Positionierung. Wer sich wie Bruckner als bekennender Wagnerianer outete, hatte sich einem Lager zugeordnet und damit eine Entscheidung gefällt, die schließlich die Beurteilung seiner eigenen Werke tangierte. Hinzu kam noch die eigene Unsicherheit über die Wahrhaftigkeit des formulierten musikalischen Gedankens. Drei Jahre hatte Bruckner an seiner achten Sinfonie gearbeitet. Umso dramatischer musste dann die Reaktion Herrmann Levis auf ihn gewirkt haben, als der Dirigent seine Ablehnung gegen das neue Werk zum Ausdruck brachte. Bruckner arbeitete in den Jahren 1889 und 1890 erneut an der Sinfonie, straffte die Faktur, formte die musikalischen Pfade stringenter. Heraus kam die Fassung von 1890, die weite melodische Bögen webt, die eine fokussierte thematische Arbeit zeigt, die trotz voller Instrumentation Transparenz und Struktur besitzt. Kurzum: ein Werk, welches es zu hören gilt.

Die nächste Gelegenheit, die achte Sinfonie kennenzulernen oder wiederzuentdecken, bietet sich am 14. und 15. März beim fünften Sinfoniekonzert des Philharmonischen Orchesters Würzburg.
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