Beruf und Berufung

Das 6. Sinfoniekonzert zwischen Paragraf und Autograf
Peter Tschaikowski – mit seinem Namen verbindet man mitreißende Ballettmusiken sowie in lyrisch-romantischer Klangschönheit schwelgende Sinfonien. Beim Sinfoniekonzert am 11. und 12. April erklingt sein großes sinfonisches Bekenntnis: die fünfte Sinfonie. Doch wie kam der Russe zu seiner Berufung, und wie taten es andere?

War für Mozart, Wagner, Schönberg und Co. Musik immer die einzige Berufswahl? Hatte Haydn noch eine zweite berufliche Option in petto? Was wäre aus Brahms geworden, wenn er nie die Bekanntschaft mit Schumann gemacht hätte? Hätte der Hanseat unter anderen Umständen eine veritable Kapitänslaufbahn eingeschlagen? Hätte Dvorák auch das Metzgereigeschäft und die Gastwirtschaft des Vaters übernehmen können? Und wie wird man eigentlich Komponist? Wie kommt ein junger Mensch dazu, sich der Musik zu verschreiben, und wann beginnen die Vorbereitungen auf ein Musikerleben?

OHNE NETZ UND DOPPELTEN BODEN

Wird man in eine Musikerfamilie hineingeboren, stellt sich die Frage vielleicht gar nicht, weil Musik das Leben von Kindesbeinen an begleitet. Etwas nicht nur als Berufsoption zu sehen, sondern es als Berufung zu empfinden, geschieht gewiss nicht aus einer Laune heraus. Zu einem frühen Zeitpunkt wird das Talent entdeckt, entsprechend gefördert, und dann sind auch die richtigen Kontakte unverzichtbar, damit für den beruflichen Werdegang die notwendigen Schritte folgen können. Musik zur Profession zu erheben, fußt für gewöhnlich auf einer intensivon ven Beschäftigung von klein auf. Niemand würde mit Mitte 30 ernsthaft eine Komponistenlaufbahn in Erwägung ziehen, wenn derjenige zuvor nie selbst musiziert und sich die entsprechenden Theoriekenntnisse angeeignet hat. Musikalische Wunderkinder hingegen gab es in der Geschichte mehrfach, denke man etwa an Wolfgang Amadeus Mozart, die Geschwister Mendelssohn oder Erich Wolfgang Korngold. Schnell wurde die Ausbildung dieser jungen Talente in entsprechende Bahnen gelenkt. Bei Mozart hatte die intensive Musikförderung im Kleinkindalter begonnen, sodass er bereits im Knabenalter ein Virtuose auf der Geige wie auch auf dem Klavier war und mit sechs Jahren erste eigene Kompositionen vorlegen konnte. Die erfolgreichste und präsenteste Musikerfamilie ist zweifelsohne die Familie Bach.

PLAN A: JURA – PLAN B: MUSIK

„Es gibt keine schönere Freude, als in meiner Kunst“, soll Vater Bach seinem Sohn Carl Philipp erklärt haben. „Aber die Welt braucht auch andere tüchtige Männer; und ein solcher sollst du mir in einem anderen Fache werden.“ Und der Knabe war folgsam und immatrikulierte sich 1731 an der Universität Leipzig, um sich hier in den folgenden sieben Jahren mit römischem Recht, Natur-, Völkerrecht und deutschem Privatrecht auseinanderzusetzen. Ein Jurist ist aus Carl Philipp Emanuel Bach freilich nie geworden. Statt trockener Schriftsätze und Paragrafen brachte er Konzertkompositionen für seinen Dienstherrn, den preußischen Kronprinzen und späteren König Friedrich II., zu Papier. In vielen anderen Familien fanden sich ähnliche Laufbahnen: Heinrich Schütz, Georg Philipp Telemann, Georg Friedrich Händel, Robert Schumann und Peter Tschaikowski – sie alle sollten Juristen werden und wurden doch Komponisten.

EIN MUSIKALISCHES PORTRÄT

Wie Peter Tschaikowski zu seiner Berufung fand, ist erstaunlich. In Wotkinsk, nahe dem Uralgebirge, erblickte er 1840 das Licht der Welt. Das Hammerwerk der Stadt bot vielen Männern einen Arbeitsplatz, doch kulturelle Bildung durch Theater, Oper oder Konzerte suchte man an diesem Ort vergeblich. Wollte man in die damalige Hauptstadt nach St. Petersburg reisen, brauchte man knapp drei Wochen mit der Kutsche. Obwohl in der Familie keine Berufsmusiker waren, entbrannte Tschaikowskis Herz für die Musik. Allerdings entschied er sich zunächst gegen das Musikstudium. Stattdessen entschloss er sich zu einem Jurastudium. Die Anstellung als Verwaltungssekretär im Justizministerium allerdings brachte nach drei Jahren eine Gewissheit: Er war kein Beamter und sollte es niemals werden. Tschaikowski sattelte um. Musik war seine Profession, denn sie bot ihm die beste Möglichkeit, seine überbordenden Emotionen zu kanalisieren und auszudrücken: So geschehen in der 1888 entstandenen fünften Sinfonie, die Tschaikowski ganz bewusst als ein persönliches Lebenszeugnis konzipierte.
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