Karl und Anna gilt als berühmteste Erzählung des Würzburger Schriftstellers Leonhard Frank. Komponist Christoph Ehrenfellner und Librettist Roland Schimmelpfennig nähern sich dieser ungewöhnlichen Liebesgeschichte aus dem Jahr 1926 mit den Mitteln des Musiktheaters im 21. Jahrhundert.
Am 6. April erlebt die Oper Karl und Anna nun ihre lang erwartete Uraufführung im Kleinen Haus. Leonhard Frank (1882–1961) gilt als bedeutendste literarische Stimme Würzburgs. Gleich sein erster Roman, die 1914 erschienene
Räuberbande, wurde mit dem renommierten Fontane-Preis ausgezeichnet. Zeitlebens bekennender Pazifist, entfloh er 1915 vor den Grauen des Ersten Weltkriegs in die Schweiz. 1933 trieb der aufkeimende Nazi-Terror Frank erneut ins Exil, ab 1940 lebte er als Drehbuchautor in Hollywood. Erst 1950 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde insbesondere zu einem wichtigen Autor für die noch junge DDR, die ihn 1955 mit dem Nationalpreis 1. Klasse auszeichnete. Gleichwohl lebte Frank weiterhin in Westdeutschland, wo er 1957 mit dem Großen Verdienstkreuz ausgezeichnet wurde. „Für seine Bücher allerdings”, so die Journalistin Katharina Rudolph in ihrer 2020 erschienenen Leonhard-Frank-Biografie Rebell im Maßanzug, „interessierten sich im Westen nur wenige, man wollte nach der vermeintlichen Stunde null nicht mehr wissen von denen, die zum alten Deutschland gehörten.”
VON DER ERZÄHLUNG ...
Schon den Zeitgenossen galt die 1926 erschienene Erzählung Karl und Anna als herausragendes Werk Franks. Seine eigene Dramatisierung, die am 16. Januar 1929 gleichzeitig an sechzehn Bühnen in Deutschland uraufgeführt wurde, geriet zu einem der größten Theatererfolge der Weimarer Republik. 1947 gelangte die Geschichte unter dem Titel Desire me sogar in Hollywood auf die Leinwand, 1985 schließlich erschien in der DDR eine Verfilmung
unter dem Titel Die Frau und der Fremde. Karl und Anna beginnt als eine typische Kriegsheimkehrergeschichte, um als außergewöhnliche Liebesgeschichte zu enden. Die Kameraden Karl und Richard sind in Kriegsgefangenschaft
in der sibirischen Steppe. Richard erzählt dem unverheirateten Karl von seiner Frau Anna, und zwar so detailliert, dass Karl sich in das Traumbild Annas verliebt. Eines Tages gelingt Karl die Flucht. Zurück in der Heimat,
stellt er sich bei Anna, die ihren Mann tot glaubt, als Richard vor. Anna zweifelt, doch der Fremde weiß so viel Persönliches. Allmählich lässt sie sich auf Karl ein, wird schwanger. Als Richard zurückkehrt, hat Anna sich längst in
den fremden Herrn Richard verliebt. Unfähig zur Rache, bricht Richard zusammen. Karl und Anna aber verlassen die Stadt, „zu trennen nur noch durch den Tod.“
... ZUR OPER
Die Oper Karl und Anna entstand als Auftragswerk des Mainfranken Theaters. Komponist ist der 1975 geborene Österreicher Christoph Ehrenfellner, der unter anderem als Composer in Residence im französischen Mulhouse sowie
am Theater Nordhausen wirkte und dessen 2. Symphonie im April 2023 ihre Uraufführung durch das Philharmonische Orchester Würzburg unter der Leitung von Generalmusikdirektor Enrico Calesso erlebte. Calesso war es auch, der die Anregung zum Opernauftrag an Ehrenfellner gab. Mit Roland Schimmelpfennig konnte einer der meistgespielten deutschen Gegenwartsdramatiker als Librettist gewonnen werden. Die Textfassung der Oper basiert auf der ursprünglichen Erzählung von Leonhard Frank, deren Struktur Schimmelpfennig auf die für ihn typische Weise in dramatische Dialoge aufgelöst hat: eine collageartige Struktur, durchbrochen von fantastischen und surrealen Momenten und Figuren, die ihre Rolle immer wieder überschreiten.
Ehrenfellner hat Schimmelpfennigs markante Verse in einer flächigen und von einem dichten Motivnetz durchwobenen Partitur eingefangen. Die Form ermöglicht die gleichzeitige Darstellung der Gefangenschaft Karl und Richards in der Fremde sowie der Lebenswirklichkeit Annas und ihrer Freundin Marie. Libretto und Partitur überführen die Erzählung in eine vieraktige Großform, die sich, so Ehrenfellner, „mit Parodos, Epeisodion und Exodos formal durchaus
an die antike griechische Tragödie anlehnt. Auch die Rolle des Chores sowohl als vertiefender Kommentator des Geschehens als auch handlungsbeteiligtes Volk verweist auf die antike Praxis. Die Rückblenden auf vergangene
Szenen verdichten die Struktur.”
DIE INSZENIERUNG
Intendant Markus Trabusch, der den Auftrag zur Oper Karl und Anna angeregt und den Entstehungsprozess von Partitur und Libretto von Beginn an eng begleitet hat, übernimmt höchstselbst die Inszenierung der Uraufführungsproduktion. Die ebenso eigenwillige wie reizvolle Werkgestalt wird sich auch im Bühnenraum spiegeln.
Mit Johannes Schütz konnte nicht nur einer der renommiertesten Bühnenbildner der deutschsprachigen Theaterszene gewonnen werden, sondern auch einer der zentralen künstlerischen Wegbereiter Roland Schimmelpfennigs; zu zahlreichen seiner Dramen schuf Schütz die Bühnenräume. Seit 1990 arbeitet er zudem als Bühnenbildner und Regisseur im Bereich der Oper. Neben zahlreichen nationalen und internationalen Preisen wurde Johannes Schütz zuletzt im November 2022 mit dem mit 25.000 Euro dotierten Kunstpreis des Landes Nordrhein- Westfalen ausgezeichnet. Als Kostümbildnerin konnte erneut Nicole von Graevenitz verpflichtet werden, die bereits in der Saison 2021/22 als Kostümbildnerin der Neuinszenierung von Tschaikowskis Eugen Onegin am Mainfranken Theater zu Gast war. Die musikalische Leitung der Uraufführung liegt in den Händen des Ersten Kapellmeisters Gábor Hontvári.
In den Hauptrollen sind Mezzosopranistin Vero Miller (Anna), Minkyung Kim (Marie) und Daniel Fiolka (Richard) aus dem Ensemble des Mainfranken Theaters zu erleben. Als der „fremde Herr Richard“ Karl ist Bariton Martin Berner erstmals in Würzburg zu Gast.
SYMPOSIUM
Ergänzend zur Uraufführung am 6. April findet am 7. April ab 11 Uhr in Kooperation mit der Leonhard-Frank-Gesellschaft Würzburg ein Symposium statt. Das Symposion möchte in mehreren Beiträgen die Erzählung Karl und
Anna und ihren Dichter, den „Rebell im Maßanzug“ Leonhard Frank, näherbringen und die skizzierten Transformationen beleuchten. Abgerundet wird das Symposium durch einen Stadtrundgang auf den Spuren Leonhard
Franks sowie durch die Präsentation der umfangreichen Leonhard Frank-Biografie Rebell im Maßanzug von Katharina Rudolph und die Vorführung der 1985 entstandenen Verfilmung der Novelle unter dem Titel Die Frau und der Fremde. Informationen zum Symposium stehen hier bereit.
URAUFFÜHRUNG
Samstag, 6. April 2024 | 19:30 Uhr, Kleines Haus
WEITERE VORSTELLUNGEN
Sonntag, 14. April 2024 | 18:00 Uhr
Mittwoch, 17. April 2024 | 19:30 Uhr
Donnerstag, 18. April 2024 | 19:30 Uhr
Mittwoch, 24. April 2024 | 19:30 Uhr
Dienstag, 30. April 2024 | 19:30 Uhr
Weitere Termine und Informationen unter mainfrankentheater.de/karlundanna
Einführung jeweils 30 Minuten vor Beginn.
Am 6. April erlebt die Oper Karl und Anna nun ihre lang erwartete Uraufführung im Kleinen Haus. Leonhard Frank (1882–1961) gilt als bedeutendste literarische Stimme Würzburgs. Gleich sein erster Roman, die 1914 erschienene
Räuberbande, wurde mit dem renommierten Fontane-Preis ausgezeichnet. Zeitlebens bekennender Pazifist, entfloh er 1915 vor den Grauen des Ersten Weltkriegs in die Schweiz. 1933 trieb der aufkeimende Nazi-Terror Frank erneut ins Exil, ab 1940 lebte er als Drehbuchautor in Hollywood. Erst 1950 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde insbesondere zu einem wichtigen Autor für die noch junge DDR, die ihn 1955 mit dem Nationalpreis 1. Klasse auszeichnete. Gleichwohl lebte Frank weiterhin in Westdeutschland, wo er 1957 mit dem Großen Verdienstkreuz ausgezeichnet wurde. „Für seine Bücher allerdings”, so die Journalistin Katharina Rudolph in ihrer 2020 erschienenen Leonhard-Frank-Biografie Rebell im Maßanzug, „interessierten sich im Westen nur wenige, man wollte nach der vermeintlichen Stunde null nicht mehr wissen von denen, die zum alten Deutschland gehörten.”
VON DER ERZÄHLUNG ...
Schon den Zeitgenossen galt die 1926 erschienene Erzählung Karl und Anna als herausragendes Werk Franks. Seine eigene Dramatisierung, die am 16. Januar 1929 gleichzeitig an sechzehn Bühnen in Deutschland uraufgeführt wurde, geriet zu einem der größten Theatererfolge der Weimarer Republik. 1947 gelangte die Geschichte unter dem Titel Desire me sogar in Hollywood auf die Leinwand, 1985 schließlich erschien in der DDR eine Verfilmung
unter dem Titel Die Frau und der Fremde. Karl und Anna beginnt als eine typische Kriegsheimkehrergeschichte, um als außergewöhnliche Liebesgeschichte zu enden. Die Kameraden Karl und Richard sind in Kriegsgefangenschaft
in der sibirischen Steppe. Richard erzählt dem unverheirateten Karl von seiner Frau Anna, und zwar so detailliert, dass Karl sich in das Traumbild Annas verliebt. Eines Tages gelingt Karl die Flucht. Zurück in der Heimat,
stellt er sich bei Anna, die ihren Mann tot glaubt, als Richard vor. Anna zweifelt, doch der Fremde weiß so viel Persönliches. Allmählich lässt sie sich auf Karl ein, wird schwanger. Als Richard zurückkehrt, hat Anna sich längst in
den fremden Herrn Richard verliebt. Unfähig zur Rache, bricht Richard zusammen. Karl und Anna aber verlassen die Stadt, „zu trennen nur noch durch den Tod.“
... ZUR OPER
Die Oper Karl und Anna entstand als Auftragswerk des Mainfranken Theaters. Komponist ist der 1975 geborene Österreicher Christoph Ehrenfellner, der unter anderem als Composer in Residence im französischen Mulhouse sowie
am Theater Nordhausen wirkte und dessen 2. Symphonie im April 2023 ihre Uraufführung durch das Philharmonische Orchester Würzburg unter der Leitung von Generalmusikdirektor Enrico Calesso erlebte. Calesso war es auch, der die Anregung zum Opernauftrag an Ehrenfellner gab. Mit Roland Schimmelpfennig konnte einer der meistgespielten deutschen Gegenwartsdramatiker als Librettist gewonnen werden. Die Textfassung der Oper basiert auf der ursprünglichen Erzählung von Leonhard Frank, deren Struktur Schimmelpfennig auf die für ihn typische Weise in dramatische Dialoge aufgelöst hat: eine collageartige Struktur, durchbrochen von fantastischen und surrealen Momenten und Figuren, die ihre Rolle immer wieder überschreiten.
Ehrenfellner hat Schimmelpfennigs markante Verse in einer flächigen und von einem dichten Motivnetz durchwobenen Partitur eingefangen. Die Form ermöglicht die gleichzeitige Darstellung der Gefangenschaft Karl und Richards in der Fremde sowie der Lebenswirklichkeit Annas und ihrer Freundin Marie. Libretto und Partitur überführen die Erzählung in eine vieraktige Großform, die sich, so Ehrenfellner, „mit Parodos, Epeisodion und Exodos formal durchaus
an die antike griechische Tragödie anlehnt. Auch die Rolle des Chores sowohl als vertiefender Kommentator des Geschehens als auch handlungsbeteiligtes Volk verweist auf die antike Praxis. Die Rückblenden auf vergangene
Szenen verdichten die Struktur.”
DIE INSZENIERUNG
Intendant Markus Trabusch, der den Auftrag zur Oper Karl und Anna angeregt und den Entstehungsprozess von Partitur und Libretto von Beginn an eng begleitet hat, übernimmt höchstselbst die Inszenierung der Uraufführungsproduktion. Die ebenso eigenwillige wie reizvolle Werkgestalt wird sich auch im Bühnenraum spiegeln.
Mit Johannes Schütz konnte nicht nur einer der renommiertesten Bühnenbildner der deutschsprachigen Theaterszene gewonnen werden, sondern auch einer der zentralen künstlerischen Wegbereiter Roland Schimmelpfennigs; zu zahlreichen seiner Dramen schuf Schütz die Bühnenräume. Seit 1990 arbeitet er zudem als Bühnenbildner und Regisseur im Bereich der Oper. Neben zahlreichen nationalen und internationalen Preisen wurde Johannes Schütz zuletzt im November 2022 mit dem mit 25.000 Euro dotierten Kunstpreis des Landes Nordrhein- Westfalen ausgezeichnet. Als Kostümbildnerin konnte erneut Nicole von Graevenitz verpflichtet werden, die bereits in der Saison 2021/22 als Kostümbildnerin der Neuinszenierung von Tschaikowskis Eugen Onegin am Mainfranken Theater zu Gast war. Die musikalische Leitung der Uraufführung liegt in den Händen des Ersten Kapellmeisters Gábor Hontvári.
In den Hauptrollen sind Mezzosopranistin Vero Miller (Anna), Minkyung Kim (Marie) und Daniel Fiolka (Richard) aus dem Ensemble des Mainfranken Theaters zu erleben. Als der „fremde Herr Richard“ Karl ist Bariton Martin Berner erstmals in Würzburg zu Gast.
SYMPOSIUM
Ergänzend zur Uraufführung am 6. April findet am 7. April ab 11 Uhr in Kooperation mit der Leonhard-Frank-Gesellschaft Würzburg ein Symposium statt. Das Symposion möchte in mehreren Beiträgen die Erzählung Karl und
Anna und ihren Dichter, den „Rebell im Maßanzug“ Leonhard Frank, näherbringen und die skizzierten Transformationen beleuchten. Abgerundet wird das Symposium durch einen Stadtrundgang auf den Spuren Leonhard
Franks sowie durch die Präsentation der umfangreichen Leonhard Frank-Biografie Rebell im Maßanzug von Katharina Rudolph und die Vorführung der 1985 entstandenen Verfilmung der Novelle unter dem Titel Die Frau und der Fremde. Informationen zum Symposium stehen hier bereit.
URAUFFÜHRUNG
Samstag, 6. April 2024 | 19:30 Uhr, Kleines Haus
WEITERE VORSTELLUNGEN
Sonntag, 14. April 2024 | 18:00 Uhr
Mittwoch, 17. April 2024 | 19:30 Uhr
Donnerstag, 18. April 2024 | 19:30 Uhr
Mittwoch, 24. April 2024 | 19:30 Uhr
Dienstag, 30. April 2024 | 19:30 Uhr
Weitere Termine und Informationen unter mainfrankentheater.de/karlundanna
Einführung jeweils 30 Minuten vor Beginn.